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Interview: General Edmund Entacher zur allgemeinen Wehrpflicht

Wien, 16. Juli 2010  - In der Debatte rund um den Sinn der allgemeinen Wehrpflicht spricht sich der Generalstabschef des Österreichischen Bundesheeres, General Edmund Entacher, deutlich für eine Beibehaltung der Wehrpflicht aus.

General Entacher im Interview

bundesheer.at: Herr General Entacher, warum hält Österreich im Gegensatz zu einigen anderen EU-Ländern an der Wehrpflicht fest?

Entacher: Wir haben in Österreich ein Mischsystem aus Berufssoldaten, Milizsoldaten und Grundwehrdienern, das sich bisher sehr gut bewährt hat. Viele Experten aus vergleichbaren Nachbarstaaten haben vor einem Berufsheer gewarnt, auch deshalb, weil es bei Chargen – also den "Gewehrträgern" – nicht genug Bewerber geben würde. Für diese müsste man erst die Gehälter stark anheben, was schwer durchsetzbar erscheint. Ein Berufsheer käme bei gleichbarer Aufgabenleistung doppelt so teuer.

bundesheer.at: Welche Aufgaben hat denn nun das Bundesheer?

Entacher: Erstens möchte ich die Auslandseinsätze nennen, bei denen rund um die Uhr weltweit 1.000 Soldaten und Soldatinnen im Einsatz stehen. Das ist Teil unserer Landesverteidigung und ein wichtiges Instrument in der österreichischen Außenpolitik. Im Inland haben wir die permanente Luftraumüberwachung zu erfüllen. Außerdem müssen wir die Fähigkeit zum Schutz kritischer Infrastrukturen aufrechterhalten. Dazu kommen noch verschiedene andere sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsätze. Und dann ist natürlich die Katastrophenhilfe eine wichtige Aufgabe.

bundesheer.at: Bleiben wir gleich bei der Katastrophenhilfe – wären denn die Katastropheneinsätze ohne Grundwehrdiener möglich?

Entacher: In diesem Ausmaß sicher nicht. Das Bereitstellen von etwa 10.000 Personen, wie es z. B. beim Hochwassereinsatz 2002 nötig war, ist ohne Grundwehrdiener nicht möglich. Das heißt, für die Katastrophenhilfe könnten wir bei einem Berufsheer nicht mehr wie jetzt 10.000 Mann binnen kürzester Zeit entsenden, sondern etwa ein Viertel.

bundesheer.at: Warum würde das mit einem Berufsheer nicht gehen?

Entacher: Die vermutliche Mannschaftsstärke eines Berufsheeres ließe diese Kapazitäten eindeutig und bei weitem nicht zu. Die Gleichzeitigkeit der Aufgaben, eben Ausland, Luftraumüberwachung, Inland und Katastrophenhilfe würde zum Einbruch der Katastrophenhilfe führen. Der Schutz kritischer Infrastruktur wäre dann ebenfalls nur äußerst eingeschränkt möglich.

bundesheer.at: Herr General, Sie haben gesagt, ein Berufsheer käme doppelt so teuer – warum?

Entacher: Es gibt wissenschaftliche Studien, die besagen, wenn wir ein Freiwilligen- oder Berufsheer mit dieser von mir skizzierten Leistungsfähigkeit hätten, bräuchten wir mit großer Wahrscheinlichkeit das doppelte Budget. Das wären also etwa vier Milliarden. Das ist völlig unrealistisch und außerhalb jeder Reichweite. Das hieße im Rückkehrschluss, wenn das Budget nur gleich bliebe, bei einem reinen Berufsheer, käme es zu drastischen Einbrüchen in der Aufgabenerfüllung.

bundesheer.at: Wie machen das dann andere Länder, die die Wehrpflicht abgeschafft haben?

Entacher: Viele Länder, die in den letzten Jahren auf ein Berufsheer umgestellt haben, haben Probleme, zum Beispiel bei der Rekrutierung. Denn die Rekrutierung ist stark vom Arbeitsmarkt abhängig. Bei uns hat sich das Mischsystem aus Berufssoldaten, Rekruten und Milizsoldaten bewährt. Wir haben schon jetzt Soldaten, die sich nach Ableistung des Grundwehrdienstes freiwillig länger verpflichten, etwa für Auslandseinsätze. Ohne Präsenzdienst könnten wir diese jungen Menschen nur schwer ansprechen. Und man sollte nicht vergessen, dass an der Wehrpflicht auch der Zivildienst hängt. Eine Verpflichtung zu einem sozialen Dienst ist ohne Wehrpflicht nach der Menschenrechtskonvention rechtlich nicht haltbar. Und die Wehrpflicht ist auch demokratiepolitisch vorteilhafter als ein Berufsheer.

Der Generalstabschef spricht sich deutlich für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht aus. Im Bild: General Entacher bei einem Besuch der Garde.

Der Generalstabschef spricht sich deutlich für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht aus. Im Bild: General Entacher bei einem Besuch der Garde.

General Entacher: "Das Mischsystem aus Berufssoldaten, Milizsoldaten und Grundwehrdienern hat sich bisher sehr gut bewährt."

General Entacher: "Das Mischsystem aus Berufssoldaten, Milizsoldaten und Grundwehrdienern hat sich bisher sehr gut bewährt."

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