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Ukraine: 3 Fragen - 3 Antworten, Teil 8

Wien, 03. März 2022  - Major Klaus Kuss ist Häuserkampfexperte an der Heerestruppenschule und stellvertretender Leiter des Instituts Jäger. Unter anderem ist er auch "International Urban Operation Advisor". Hier beantwortet er aktuelle Fragen zum Krieg in der Ukraine.

Das sagt unser Experte:

Derzeit geraten immer mehr ukrainische Städte ins Zentrum der Berichterstattung. Wie muss man sich diese Kämpfe in bewohntem Gebiet vorstellen?

Der Kampf in einer Ortschaft zählt generell zu den schwierigsten und blutigsten überhaupt. Der Kampf wird auf einem dreidimensionalen Gefechtsfeld geführt. Das bedeutet, dass man nicht nur aus den Häusern sondern auch aus unterirdischen Systemen (z.B. dem Kanalsystem) oder von Dächern aus bekämpft werden kann. Bedrohungen können permanent aus allen Richtungen auftreten, man weiß nicht, wo der Feind ist.

Die Kampfentfernungen sind sehr gering, oft muss der Nahkampf geführt werden. Sehr viel Feuer konzentriert sich auf sehr engen Raum und die Waffenwirkung, zum Beispiel von Artilleriegeschossen oder Raketen, wird durch Splitter und die dichte Bebauung massiv verstärkt.

Der Kampf im urbanen Umfeld ist daher psychisch und physisch besonders hart, zehrend und auch sehr verlustreich.

Wie sollte sich die Bevölkerung einer Stadt verhalten, wenn diese angegriffen wird?

Die Zivilbevölkerung sollte - solange es möglich ist und vielleicht humanitäre Korridore oder Ähnliches bestehen - versuchen, die Stadt zu verlassen. Ist das nicht mehr möglich, so ist es ratsam in Kellern, dem U-Bahn-System oder in Bunkern Schutz zu suchen. Der Aufenthalt im Freien sollte unbedingt vermieden werden, da hier die Gefahr besteht, zwischen die kämpfenden Parteien zu geraten oder durch die vorher angesprochenen Waffenwirkungen verletzt oder getötet zu werden.

Unter keinen Umständen sollte sich die Zivilbevölkerung an den Kampfhandlungen aktiv beteiligen. Die Menschen sind dafür nicht entsprechend bewaffnet, ausgerüstet und ausgebildet und daher stark benachteiligt gegenüber regulären Kräften. Kämpfende Zivilisten haben auch keinen Kombattanten-Status, fallen nicht unter das humanitäre Völkerrecht und sind daher auch in dieser Hinsicht nicht geschützt.

Wieso ist die Inbesitznahme von Städten so bedeutungsvoll? Reicht es nicht, den umgebenden Raum zu beherrschen?

Städte stellen grundsätzlich die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, infrastrukturellen und religiösen Zentren eines Landes dar. Sie sind daher von sehr großer Bedeutung und haben auch einen sehr hohen Symbolcharakter, da sie meist auf eine geschichtsträchtige Vergangenheit zurückblicken können.

Die Inbesitznahme durch feindliche Kräfte hat einen stark negativen psychologischen und moralischen Effekt auf die verteidigenden Kräfte und Menschen eines Landes. Man ist eher bereit, ein ländliches Gebiet mit wenig Infrastruktur aufzugeben als eine Stadt.

Ein weiterer Grund ist, dass ein Großteil der Bevölkerung im urbanen Raum wohnt und ein Angreifer diese Menschen kontrollieren und ihnen seinen Willen aufzwingen will. Der generelle Trend der Urbanisierung rückt die Städte zusätzlich in den Fokus strategischer Überlegungen.

Unsere Experten beantworten Fragen rund um den Krieg in der Ukraine.

Unsere Experten beantworten Fragen rund um den Krieg in der Ukraine.

Major Klaus Kuss, Häuserkampfexperte an der Heerestruppenschule.

Major Klaus Kuss, Häuserkampfexperte an der Heerestruppenschule.

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