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Ukraine: 3 Fragen - 3 Antworten, Teil 31

Wien, 11. Juli 2022  - Der Krieg in der Ukraine tritt in eine neue Phase: Die russischen Streitkräfte konnten vor allem im Osten des Landes Gebiete erobern. Doch nun gibt es Anzeichen dafür, dass die ukrainische Armee im Süden einen Gegenangriff planen könnte.   

Oberst Berthold Sandtner arbeitet am Institut für höhere militärische Führung an der Landesverteidigungsakademie in Wien. Er beschreibt, ob ein solches Vorhaben eine Chance auf Erfolg hätte.

Das sagt unser Experte:

Laut Medienberichten steht eine Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte (im Süden) bevor. Reichen dafür die Kräfte in qualitativer und quantitativer Hinsicht?

Seit fast zwei Monaten sind Angriffe ukrainischer Kräfte im Süden des Landes zu beobachten, vor allem im Raum Cherson. Es wurde beurteilt, dass diese Angriffe dazu dienten, Lücken im russischen Verteidigungssystem zu finden, um eine mögliche Offensive in diesem Gebiet vorzubereiten.

Auch wenn es der Ukraine gelungen ist, zusätzliche Kräfte zu mobilisieren und einsatzbereit zu machen, ist doch davon auszugehen, dass große Teile der ukrainischen Streitkräfte im Donbass gebunden sind, oder nach fast fünf Monaten Krieg stark abgenützt sind.

Die fehlende Luftherrschaft und der nur langsame Zulauf weitreichender und hochpräziser, westlicher Raketenwerfersysteme sind ebenfalls Faktoren, die das ukrainische Offensivpotential negativ beeinflussen könnten.

Welche Faktoren wären für einen militärischen Erfolg der Ukraine im Süden ausschlaggebend?

Neben der Bereitstellung entsprechender robuster Offensivkräfte (vor allem Panzer- und Panzergrenadierkräfte, aber auch entsprechender Pionierfähigkeiten) ginge es vor allem darum, der russischen Luftwaffe durch entsprechend weitreichende Fliegerabwehrsysteme die Nutzung des Luftraumes über dem Angriffsgebiet zu verwehren. Außerdem müssten sie versuchen, durch den Zulauf weiterer westlicher Artillerie- und Raketenwerfersysteme das derzeit sehr ungünstige Kräfteverhältnis in diesem Bereich auszugleichen.

Gibt es ein vergleichbares Szenario in der Militärgeschichte? Wie war dessen Ausgang und warum?

Der mögliche ukrainische Gegenangriff im Süden könnte bei Gelingen den so wichtigen Zugang zur Schwarzmeerküste wiederherstellen beziehungsweise sichern. Der Ansatz ist dennoch mit einem hohen operativen Risiko verbunden, da die Kräfte, die im Süden eingesetzt werden, bei der Verteidigung im Osten fehlen.

Ein möglicher militärgeschichtlicher Vergleich (wenn auch unter gänzlich anderen Vorzeichen) könnte mit der deutschen "Ardennenoffensive" (1944/45) gezogen werden, in der die Deutschen den Hafen von Antwerpen zurückerobern und damit die Alliierten von einem Teil ihres Nachschubes abtrennen wollten. Obwohl diese Offensive anfänglich sehr erfolgreich war, endete sie schließlich mit einer deutschen Niederlage, verursacht durch den Mangel an entsprechenden militärischen Ressourcen.

Unsere Experten beantworten Fragen rund um den Krieg in der Ukraine.

Unsere Experten beantworten Fragen rund um den Krieg in der Ukraine.

Oberst Berthold Sandtner.

Oberst Berthold Sandtner.

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