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Ukraine: 3 Fragen - 3 Antworten, Teil 32

Wien , 03. Oktober 2022  - Am 30. September 2022 hat der russische Präsident Wladimir Putin vier Gebiete der Ukraine annektiert. Russland betrachtet die "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk sowie die Oblaste Saporischschja und Cherson nun als russisches Staatsgebiet. In seiner Rede sprach Putin erneut davon, Russland mit allen Mitteln zu verteidigen.

Die jüngsten Ereignisse analysiert Oberleutnant Christoph Bilban. Er ist Forscher am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie in Wien. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen unter anderem die Konflikte im postsowjetischen Raum und die Außen- und Sicherheitspolitik der Russischen Föderation.

Das sagt unser Experte:

Was bedeutet die Annexion der Gebiete für den Krieg in der Ukraine?

Die ukrainischen Offensiven laufen, wie sich über das Wochenende gezeigt hat, weiter. Für Russland gelten die Gebiete seit 30. September zwar als Staatsgebiet, aber der genaue Grenzverlauf ist aus Moskauer Sicht nach wie vor unklar. Diese Unklarheit scheint gewollt, weil Putin dadurch flexibel bestimmen kann, wann ein "Angriff auf Russland" erfolgt ist. Möglicherweise wartet er aber nur die Ratifikation der Verträge durch die Duma und den Föderationsrat ab.

Möglichkeiten zur Eskalation besitzt Russland jedenfalls noch. Putin sprach in seiner Rede von den Präzedenzfällen der US-Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki am Ende des Zweiten Weltkriegs. Ein Einsatz von taktischen Atomwaffen wäre aber mit einem großen Risiko für Putins Macht verbunden. Daher ist ein Einsatz noch unwahrscheinlich, aber nicht undenkbar. Putin rief in seiner Rede außerdem erneut zu Verhandlungen auf.

Besteht eine reale Chance für Friedensgespräche?

Konkrete Friedensgespräche sind aktuell nicht in Sicht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski ist zwar für Verhandlungen mit Russland bereit, jedoch nicht mit Putin. Zugleich suchte die Ukraine jetzt um eine beschleunigte Aufnahme in die NATO an, wobei Kiew wahrscheinlich gewusst hat, dass dieser Antrag abgelehnt wird. Daher ist das ein deutliches Zeichen, dass sich die Verhandlungsbasis für Kiew geändert hat. Die NATO-Ambition war schon in den Verhandlungen im März und April ein Kernthema, nun ist sie es erneut im Tausch gegen die Rückgabe der ukrainischen Gebiete - aber erst für Putins Nachfolger.

Mit seiner Rede hat Putin seine Kriegsziele jedenfalls erweitert: Die Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine ist in seiner Rhetorik einer - bereits bekannten - umfangreichen Kritik am Westen gewichen und er betonte die Notwendigkeit, die russische Kultur zu verteidigen. Damit scheint er vor allem Zustimmung bei der russischen Bevölkerung erreichen zu wollen, bettet den Krieg in der Ukraine aber nun vor allem in den Konflikt zwischen Russland und "dem Westen" ein.

Gibt es eigentlich noch internationale Unterstützung für Putins Entscheidungen?

Die Verurteilung der Annexion durch die westliche Staatengemeinschaft und die neuen Sanktionen waren absehbar. Dennoch verurteilt nicht die ganze Welt Putin gleichermaßen. Brasilien, China, Gabun und Indien äußerten im UN-Sicherheitsrat vergangenen Freitag zwar Kritik an der Annexion, enthielten sich aber bei der am russischen Veto gescheiterten Abstimmung. Gerade Chinas Interessen als Herausforderer Washingtons stimmen mit Putins Kampf gegen die "totale Dominanz" der USA weitgehend überein. Bei den Mitteln sind sich Peking und Moskau aber bisher nicht immer einig und eine weitere Eskalation würde die Partnerschaft vermutlich mehr belasten als stärken.

Putins anti-westliche und anti-koloniale Rhetorik fällt in einigen Staaten außerhalb der westlichen Welt - aber auch in Europa - auf fruchtbaren Boden. So hat Russlands Einfluss in afrikanischen Staaten, wie zum Beispiel in Mali oder Burkina Faso, über die letzten Jahre zugenommen. Ob die Kosten dieser Politik für Russland den Nutzen rechtfertigen, bleibt offen, denn nur sehr wenige Staaten stehen in letzter Konsequenz hinter jeder Entscheidung aus Moskau.

Unsere Experten beantworten Fragen rund um den Krieg in der Ukraine.

Unsere Experten beantworten Fragen rund um den Krieg in der Ukraine.

Oberleutnant Christoph Bilban.

Oberleutnant Christoph Bilban.

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