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Die Rossauerkaserne vom Verteidigungskonzept der Ringstraße bis zur Gegenwart

Die alten Befestigungen Wiens

Wien, 09. Oktober 1998  - Zu Beginn des 19. Jahrhunderts präsentierten sich die Wiener Festungswerke noch mit einem durchschnittlich 350m breiten Glacis, dem Stadtgraben, den Stadtmauern, 11 Stadttoren und 17 Basteien. Schon vor dem Revolutionsjahr 1848 war der Plan entstanden, die Haupt- und Residenzstadt Wien vor einem eventuellen inneren Feind zu schützen, jedoch wurde dieser Plan von der Realität überholt. Im März 1848 hatte sich der alte Festungsgürtel der Stadt nicht als Schutz eines von außen anstürmenden Feindes erwiesen, sondern als Bollwerk der Revolutionäre. Man zog daraus nicht den Schluß, daß man den Festungsgürtel besser beseitige, sondern man trachtete, ihn zu einer, vor allem gegen den inneren Feind wirksamen Verteidigungseinrichtung umzufunktionieren.

Die Militärs, die sich mit Zähigkeit für die Erhaltung des alten Festungsgürtels einsetzten, verbanden die vorhandene Fortifikation mit der zeitgemäßen Anlage festungsartiger Stützpunkte. So legte man ein Festungsdreieck an, dessen Basis zwei Defensivkasernen an den donauseitigen Ecken der Inneren Stadt bildeten, die Franz-Josephs- und die Rudolfskaserne - die heutige Rossauerkaserne - während als Spitze das Arsenal fungierte, von wo aus man mit der Artillerie bis zum Stephansdom reichen konnte. In ihrem Erscheinungsbild waren Franz-Josephs-, Rossauerkaserne und das Arsenal aneinander angeglichen. Es bestand ein innerer Zusammenhang zwischen künstlerischer Form und Aufgabe. Die einerseits mächtige, blockhafte Bauweise, der sich ein kleinteiliger, reliefhafter Formenschatz wie Blendwerk, etc. unterordnete wurde als "adäquarter Ausdruck ... für den patriotischen Zweck" empfunden.

Bei der Errichtung dieser drei Kasernenbauten wurde auf die Anbindung an das Eisenbahnnetz geachtet. So liegt das Arsenal beim Süd- (1841) bzw. Ostbahnhof (1845), die Rossauerkaserne in Reichweite des Franz-Josephs-Bahnhofes (1866) und die Franz-Josephs-Kaserne an der Verbindungsbahn zwischen Nord- und Südbahnhof. Dadurch sollte die Versorgung mit Soldaten und Material sichergestellt werden.

Die Stadterweiterung

Parallel zu dem militärischen Anforderungsprofil hatten bereits die Planungsarbeiten für die Errichtung der Ringstraße begonnen; die sogenannte Stadterweiterung.

1839 bis 1843 wurden von Ludwig von Förster seine Entwürfe für die Stadterweiterung überarbeitet und der Bau der Defensivkaserne in der Rossau darin miteingeplant. 1858 wurde ein Wettbewerb veranstaltet, in dem die führenden Architekten und Planer der Zeit zur Einreichung von Entwürfen eingeladen wurden. Ausgangspunkt für die Planungen war das Handschreiben des Kaisers an seinen Minister des Inneren, in dem er im Zusammenhang mit diesem Projekt von einer "Verschönerung Meiner Residenz- und Reichshauptstadt" spricht. Die Bedeutung des Wortes Verschönerung war in der damaligen Zeit eine andere als heute, sie war Ausdruck umfassender, alle Bedürfnisse zufriedenstellender Planung. [...]

Im Projekt von Martin Kink wird die Rossauerkaserne als nahezu kreisförmiger Baukörper mit pentagonalem Hof geplant (Abb.2). Der von dieser Kaserne ausgehende Boulevard sollte zu einem kreisrunden Platz vor der Votivkirche führen, auf dem ein Wachthaus errichtet werden sollte, wie es in der Ausschreibung gefordert war. Vor den Privathäusern an diesem Boulevard sollten Ziergärten angelegt werden. Auch dieser Plan wurde von dem die Pläne prüfenden "Special-Comité" verworfen. [...]

Keiner der "Concurspläne" wurde als ausführungsreif bewertet. Daher wurde am 25. Dezember 1858 der Minister des Inneren Freiherr von Bach mit der "Entwerfung eines Grundplanes unter Einbeziehung der preisgekrönten Projectsideen" beauftragt. Am 17. Jänner 1859 fand die erste Besprechung mit der Kommission statt. Sektionsrat Moritz Löhr legte eine vorläufige Skizze vor und schon am 13. April 1859 wurde der definitive Grundplan von der Kommission festgesetzt. Mitglied der Kommission war unter anderem Generalmajor von Wurmb, der in Bezug auf die Rossauerkaserne versuchte, militärischen Gesichtspunkten zum Durchbruch zu verhelfen. Er hatte nicht nur den Plan, die Kaserne in der Rossau an das Eisenbahnnetz anzubinden, sondern sie auch mit einem kleinen Hafen am Donaukanal zu versehen.

Im Motivenbericht der Kommission, der mit dem Grundplan-Entwurf am 17. Mai 1859 Kaiser Franz Joseph übergeben wurde standen fünf Hauptgesichtspunkte der Stadterweiterung im Mittelpunkt:

  • Militärische Rücksichten
  • Regulierung des Donaukanals und Anlage des "Quais"
  • "Ringstraße" und "Lastenstraße"
  • Anordnung und Gruppierung der Neubauten (öffentliche und private)
  • Regulierung der "Inneren Stadt"

Am 1. September 1859 wurde der Grundplan durch den Kaiser genehmigt. Danach erfolgten noch einige Veränderungen und am 8. Oktober 1859 erfolgte die definitive Genehmigung. Festzustellen wäre, daß sich im Grundplan gegenüber der "Concursausschreibung" die Zahl der öffentlichen Gebäude nahezu verdoppelt hatte. [...]

Bei der Rossauerkaserne handelt es sich um einen 269m langen und 136m breiten, um drei große Höfe angelegten, vier bis fünfgeschoßigen Sichtziegelbau, der mit sparsamen Hausteindetails und Blendwerk (sparsamer romantisierender und gotisierender Dekor) ausgestattet ist. Die Gesamtgrundfläche mißt 43.293m2, wovon 17.936m2 verbaut sind. Die Baukosten betrugen 5,948.400 Kronen. Gesetzliche Grundlagen für den Bau der Kaserne waren das "Einquartierungsgesetz", die "Instruktion zur Ausmittlung der Raumbedürfnisse für das k. u. k. Heer" sowie die "Anleitungen für den Neubau von Kasernen und Militärspitälern".

In ihrer Anlage ist die Rossauerkaserne der altertümlichste Bau, in der Beachtung moderner hygienischer Gesichtspunkte der unzureichendste. Als Spätwerk des romantischen Historismus spielt sie mit ihren Turm- und Zinnenmotiven auf die mittelalterliche Festungsarchitektur an. Sie fällt vor allem durch ihre bewegte Silhouette, die vielfach abgestuften Trauflinien, Aufsätze und Türme auf. Die Eingangsbereiche am Schlickplatz und an der Rossauer Lände sind jeweils analog gestaltet. Im Haupteingangsbereich finden sich Pfeiler mit runden Eckvorlagen und Efeukapitellen. Die Torpavillons haben jeweils einen kleinen, annähernd quadratischen Innenhof. Über dem Eingangsbereich an der Seite des Schlickplatz befindet sich eine Kapelle, die sich über das 2. und 3. Geschoß erstreckt.

In den Eck- und Mittelrisaliten befinden sich fünf Geschoße, sonst vier, die beiden Mitteltrakte haben drei Geschoße. Besonders die überhöhten Ecksegmente hatten militärische Bedeutung: "Diesem Zweck (der Verteidigung gegen einen inneren Feind, Anm. d. Verf.) entsprechen die 4 Vertheidigungsthürme an den Ecken des Gebäudes, indem, wenn in 2 Geschoßen und auf dem Vordecke derselben, eine leichte Armirung angebracht wird, und in jedem Thurme etwa 50, dann in den verschiedenen Thorwachstuben, zusammen etwa 60-80, im ganzen also 260-280 Mann verwendet werden, sowohl die Flankirung aller Gebäudetheile, als die Sicherung aller Eingänge, nebst vollständiger Beherrschung des Außenterrains und der betreffenden Stadt- und Vorstadtgassen, erzielt werden kann. ... " [...]

Die hygienischen Verhältnisse

Mit der Wiener Stadterweiterung sollte auch eine Umgestaltung bzw. Verbesserung der mangelhaften militärischen Unterkünfte einher gehen. Aber auch durch den Bau der Rossauerkaserne wurde keine wesentliche Verbesserung erzielt, denn sie entsprach schon bei ihrer Fertigstellung 1870 nicht mehr den Anforderungen. In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden für den Bau von Kasernen und Militärspitälern neue Bestimmungen erlassen. "In England hatte man die Erfahrung gemacht, daß bei Truppen, die in Baracken untergebracht waren, die Sterblichkeit wesentlich geringer war, als bei solchen in großen Kasernen. Dabei waren Tuberkulose und Schwindsucht die Hauptursache für zahlreiche Todesfälle. 1861 ging man in England zum Pavillonsystem über, wobei man höchstens zweistöckige Häuser für je rund 200 Mann erstellte, die auf beiden Seiten gut zu Lüften waren. Auch die Ställe wurden von den Mannschaftsunterkünften getrennt. Das Ergebnis war erstaunlich, die Sterblichkeitsquote sank deutlich." Aus diesen Gründen entschloß man sich auch in Österreich zur Errichtung von Kasernen im Blocksystem. Die erste derartige Anlage war die Rennweger Kaserne (1880-1882). Die Rossauerkaserne entsprach somit bald nach ihrer Fertigstellung nicht mehr dem hygienischen Standard. Die Räumlichkeiten waren nur durch einen hofseitig gelegenen, mit Fenstern ausgestatteten Gang erreichbar und ein Großteil von ihnen hatte eine Größe von etwa 70m2. Sie waren lediglich an einer Schmalseite mit Fenstern ausgestattet. So standen lichterfüllten Gängen große, dunkle oder sogar kleine, fensterlose Zimmer gegenüber. Beim Bau der Kaserne stand der "verteidigungsfähige Charakter" des Gebäudes im Mittelpunkt, dafür nahm man auch gewisse andere Mängel in Kauf. "Diese Nachteile gipfelten insbesondere in der gedrängten Verbauung mit völlig geschlossenen, mäßig großen und auch kleinen inneren Höfen, in der Anwendung des alten Systems der tiefen, kasematteartigen, nur von geschlossenen Korridoren zugänglichen Mannschaftswohnzimmer ...". Oft wurden nur einfache Fenster eingebaut, vor allem dort, wo hinter den Innenhöfen nur Gänge liefen, was die Beheizung der Räumlichkeiten erschwerte.

In den äußeren Höfen lagen jeweils in den Ecken polygonale, viergeschoßige Turmbauten, die um eine zentrales Fallrohr die Mannschaftsaborte enthielten. "Diese, für die Erbauungszeit durchaus typische Lösung nährte vermutlich auch die bekannte Anekdote um die angeblich vergessenen Toiletteanlagen." Die Türme waren in jedem Geschoß mit acht Aborten ausgestattet, die um das zentrale Abfallrohr angeordnet waren. Die Pissoirs lagen an der Außenmauer der Türme. Außerdem gab es noch in den Offizierstrakten und in den beiden stirnseitigen Eingangstrakten je zwanzig Einzelaborte. Die sanitäre Ausstattung stellte jedoch keine wesentliche Verbesserung gegenüber den alten Kasernen dar. Dazu kam, daß die meisten Wiener Kasernen unter einer schlechten Wasserversorgung litten. Erst ab dem Jahre 1883 schrieb die Bauordnung zwingend den Einbau von "waterclosets" englischer Prägung vor, davor waren Trockenaborte üblich. [...]

Die neuere Geschichte

Angesichts des fortschreitenden Verfalls der Kaserne begann in den siebziger Jahren eine Diskussion, in deren Verlauf ihr Fortbestand in Frage gestellt wurde. Auch hinsichtlich einer zukünftigen Verwendung gingen die Meinungen auseinander. Im Lichte der Öffentlichkeit bildeten sich mehrere Lager. Einerseits ein kleines Häufchen von Kunsthistorikern, Architekten und Journalisten, das die Erhaltung der historischen Bausubstanz forderte, andererseits ein "Verwertungskartell" (ein lockerer Verbund aus großen Architekturbüros, der Bauindustrie, den sozialpartnerschaftlichen Verbänden und den Parteien) erhielt. Dieser Zusammenschluß stand 1978 "in den Startlöchern, um diesen Brückenkopf der Ringstraße ihren Verwertungsmechanismen zu unterwerfen." Als diese Pläne publik wurden, trat die Österreichische Gesellschaft für Architektur für einen allgemeinen, offenen Architektenwettbewerb und eine problembewußte Vorbereitung ein, die die historischen, städtebaulichen, funktionellen und technischen Gegebenheiten gründlich zu erarbeiten gehabt hätte. Eine Jury aus einschlägig profilierten, internationalen Architekten sollte die eingereichten Projekte beurteilen. Die Pläne des "Verwertungskartells" wurde damit durchkreuzt und es herrschte wieder für ein Jahrzehnt Ruhe um die Rossauerkaserne. Der geplante Architektenwettbewerb blieb aus. [...]

Im Jahr 1988 stellte sich ein Triumvirat von Professoren, Peichl (Akademie der bildenden Künste), Holzbauer (Hochschule für angewandte Kunst) und Hiesmayr (Technische Universität) als Jury an die Spitze eines zweistufigen Gutachterverfahrens. [...]

Von zwölf Projekten wurden vier für die Weiterbearbeitung nominiert. Daraus ergaben sich acht Entwürfe, die Anfang 1989 der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Keines der Projekte erschien wirklich überzeugend. Penttilä schlug etwa einen Rundbau im Zentrum vor, Spalt einen "Festplatz in der Burg", der zumindest wieder leicht zu entfernen gewesen wäre. Andere Projekte zeigten Ansätze von städtebaulichen Ideen, die aber oft nicht nachvollziehbar waren, etwa der Vorschlag des Atelier Schönbrunnerstraße einer imaginäre Achse zum Weltausstellungsgelände. Das Architektenduo Richter/Gerngroß trat sogar für den Abriß der Kaserne ein. Es kam aber anders.

Das Bundesministerium für Landesverteidigung und die Renovierung

Die Rossauerkaserne heuteUnter der Ägide von Verteidigungsminister Robert Lichal hatte das Bundesministerium für Landesverteidigung mit Nachdruck seinen räumlichen Bedarf im Hinblick auf die Rossauerkaserne bei den mit der Verwaltung der Bundesliegenschaften beauftragten Ministerien angemeldet und die Nutzung des Gebäudes wurde zugesagt. [...]

In einem eigenen Renovierungsabschnitt wird der während des 2. Weltkrieges zerstörte Mittelrisalit im Nordhof wieder aufgebaut. Ebenso wird der Trakt 8 ausgebaut und eine Tiefgarage im Nordhof errichtet. Nach der Fertigstellung der Renovierungsarbeiten sollte ab dem Jahr 2005 ein Großteil der Zentralstelle des Verteidigungsministeriums im Amtsgebäude Rossau - so der neue Name der Rossauerkaserne - untergebracht werden und somit die Anzahl der Standorte des Ministeriums von derzeit 13 möglichst verringert werden.

© Mag. Martina Pfleger, Juni 1998

Alle Rechte vorbehalten

Frau Mag. Martina Pfleger arbeitet in der Präsidialabteilung A des Bundesministeriums für Landesverteidigung und ist dort u.a. mit Angelegenheiten der Nutzung von Bauten befaßt. Dieser Beitrag zur Rossauerkaserne entstand im Juni 1998. Er wurde durch ihre berufliche Tätigkeit initiiert und später für die Veröffentlichung stark erweitert.

Rossauerkaserne Vorderansicht

Rossauerkaserne Vorderansicht

Rossauerkaserne Luftansicht

Rossauerkaserne Luftansicht

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