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Ukraine: 3 Fragen - 3 Antworten, Teil 36

Wien, 28. Februar 2023  - Bereits über ein Jahr lang dauert der Krieg in der Ukraine. Generalmajor Bruno Hofbauer beantwortet Fragen zu wesentlichen militärischen Lehren für künftige Konflikte, den Widerstand der ukrainischen Kräfte und die russischen Misserfolge.

Das sagt unser Experte:

Welche wesentlichen militärischen Lehren können für Konflikte der Zukunft aus der Ukraine gezogen werden?

Der Krieg in der Ukraine ist nicht DAS Role-Modell für die Kriege der Zukunft. Die Masse der eingesetzten Mittel stammen aus dem Kalten Krieg - sie werden durch moderne Systeme ergänzt. Wir bekommen einen Eindruck was sich bereits am Horizont befindet: Nutzung der Möglichkeiten der modernen Technologie gepaart mit hergebrachten Systemen.

Wir sehen 

  • die Wirkung der aus dem Westen gelieferten Systeme gegen die russischen Panzer, Flugzeuge und Hubschrauber,
  • die hohe Bedeutung der Aufklärungsfähigkeit und der Kommunikation,
  • den Nutzen von weitreichender Präzisionsmunition,
  • die Bedeutung des Zusammenwirkens aller Teilstreitkräfte,
  • die Auswirkungen von Propaganda und des Kampfes um und mit Information,
  • die Auswirkung eines Abschmelzens der Produktionskapazitäten der europäischen Rüstungsindustrien und der Bestände der europäischen Armeen.

Bereits im Kalten Krieg galt der Grundsatz: "Wenn es gesehen wird, wird es getroffen und wenn es getroffen wird, dann wird es auch vernichtet"  - damals war man technologisch noch nicht so weit - die Ukraine zeigt, dass die moderne Technologie diesen Grundsatz in die Realität übergeführt hat.

Wie begründen Sie, dass sich die Ukraine über ein Jahr so gut gegen die Übermacht Russland gehalten hat?

In der Anfangsphase konnten die erwarteten schnellen Erfolge durch die russischen Streitkräfte nicht erzielt werden - es gelang vor allem nicht die Hauptstadt zu erobern und ein neues Regime in Kiew einzusetzen. Begründung dafür waren einerseits strategische Fehlannahmen was den Widerstandwillen der ukrainischen Führung und Bevölkerung betrifft, sowie schwerwiegende militärische Planungsfehler.

Später zeigte sich der verhältnismäßig hohe Kampfwert der ukrainischen Kräfte, die auch in schwierigen Lagen den Kampf nicht aufgegeben haben und erbitterten Widerstand leisteten. Der Wert der Ausbildung der Kommandanten vor allem auf der unteren Ebene zeigte sich deutlich. Die im Frühsommer 2022 in großen Stil anlaufenden Waffenlieferung aus dem Westen waren Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Widerstand.

In weitere Folge konnte auch unterstützt durch die westlichen Waffen der russischen Übermacht gezielt hoher Schaden zugefügt werden. Entscheidend war bis dato vor allem das gute Lagebild und die Möglichkeit rasch auf krisenhafte Entwicklungen zu reagieren. Die russischen Kräfte waren beispielsweise aufgrund der Fähigkeit zur weitreichenden präzisen Wirkung durch ukrainische Kräfte (HIMARS) gezwungen, ihre logistischen Verfahren zu ändern und konnten so ihre artilleristische Übermacht nicht mehr ungehindert ausüben.

Worauf sind die russischen Misserfolge zurückzuführen?

Mangelhafte Aufklärung und resultierende falsche Annahmen über die Ukraine, den Kampfwillen ihrer Armee und den Widerstandswillen der Bevölkerung.

Die vielen Übungen 2021 wurden nicht genutzt, um den Kampf der verbundenen Waffen auf Ebene der großen Verbände und das Zusammenwirken aller Teilstreitkräfte zu proben. Dies wurde durch zu große Geheimhaltung zusätzlich verstärkt. Mangelhafte Ausbildung und ein von Befehlstaktik gekennzeichnetes Führungsverständnis unterbanden selbstständiges Handeln und Initiative.

Wesentlich zu erwähnen ist auch die zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns nicht abgeschlossene und teilweise in Rückabwicklung befindliche Reorganisation der russischen Landstreitkräfte sowie der Einsatz der für den Kampf gegen einen konventionellen Gegner ungeeigneten taktischen Bataillonskampfgruppen.

Unsere Experten beantworten Fragen rund um die Kämpfe in der Ukraine.

Unsere Experten beantworten Fragen rund um die Kämpfe in der Ukraine.

Generalmajor Bruno Hofbauer.

Generalmajor Bruno Hofbauer.

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