Warum kam es zur letzten militärischen Eskalation zwischen Israel und Iran?
Zunächst ist davon auszugehen, dass die militärischen und nachrichtendienstlichen Operationen Israels gegen den Iran von langer Hand geplant waren. Der Zeitpunkt, diese ins Rollen zu bringen, hing aber von politischen Faktoren ab. Innenpolitische Spannungen in Israel sind dabei weniger wichtig als der internationale Druck, der auf der Regierung Netanjahu lastete: Erstens geriet Israel wegen der Krise in Gaza unter starke Kritik seiner westlichen Freunde und Verbündeten, und zweitens bereiteten die USA und die Iraner eine weitere bilaterale Verhandlungsrunde über das iranische Nuklearprogramm vor, die – wenn erfolgreich – zur Entspannung und damit zur Aufwertung Irans in der Weltgemeinschaft hätte führen können.
Es ging also um die iranischen Atomwaffen?
Nein, die Islamische Republik Iran verfügt über keine Atomwaffen, sondern über ein ziviles Nuklearprogramm im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags (Non-Proliferation Treaty, NPT). Die jüngste Kritik der Atomenergiebehörde (IAEA) bezieht sich auf Unklarheiten und Intransparenz bei der Urananreicherung. Nicht nur Israel fürchtet, dass in weiterer Folge Material für eine Waffe abgezweigt werden könnte. Allerdings wurde dafür vor zehn Jahren das Nuklearabkommen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft geschlossen, das die notwendige Transparenz sicherstellen sollte, jedoch einseitig von den USA im Jahr 2018 aufgekündigt wurde. Israel, das dem Atomwaffensperrvertrag nie beigetreten ist, stand von Anbeginn den Atomverhandlungen mit der Islamischen Republik kritisch gegenüber. Premierminister Netanjahu zum Beispiel warnt seit 1995 beharrlich davor, dass Iran in wenigen Jahren eine Atomwaffe entwickeln könnte.
Wie geht es nun weiter?
Geostrategisch ist der Iran isoliert und deutlich geschwächt, der Verlust Syriens zerstörte das lose militante Netzwerk in der Region, das als "Achse des Widerstands" bekannt wurde und dem auch die Hisbollah, schiitische Milizen im Irak, die Hamas und andere palästinensische Gruppen sowie die jemenitischen Houthis angehörten. Teheran kann also nicht, wie bis vor kurzem, Macht in die Region projizieren. Andererseits hat sich mit diesem Angriff Israels auf Iran die Art des Konflikts geändert, weil Israel dieses Mal von Beginn an auf die Vernichtung der militärischen Führung und der wichtigsten Nukleartechniker gesetzt hat. Außerdem forderte Premierminister Netanjahu die Iraner auf, das Regime zu stürzen – was angesichts der gegenwärtigen Lage äußerst unwahrscheinlich ist. Mit dem Verfliegen des Überraschungsmoments kann sich die iranische Führung auf die Landesverteidigung konzentrieren und ist zum Erstaunen vieler Beobachter nach wie vor in der Lage, strategische Ziele in Israel, wie die Ölraffinerie in Haifa, zu bekämpfen. Viel hängt nun davon ab, ob die USA direkt eingreifen und die unterirdischen Atomanlagen in Fordow angreifen. Doch selbst in diesem Fall mag zwar eine Anlage zerstört werden, doch damit würde das Atomprogramm nicht gestoppt werden – der einzige internationale Rahmen zur atomaren Sicherheit, der Atomwaffensperrvertrag, würde entwertet. Die Iraner sind zwar weiterhin bereit, zu Verhandlungen zurückzukehren, aber nur dann, wenn die Feindseligkeiten sofort eingestellt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann keine der beiden Seiten zurück.