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6 Fragen mit Antworten: Ukrainische Luftkampagne gegen Russland – messbare Erfolge?

6 Fragen mit Antworten: Ukrainische Luftkampagne gegen Russland – messbare Erfolge?

Die Ukraine intensiviert ihre Angriffe auf militärisch und wirtschaftlich zentrale Ziele im russischen Hinterland – von Drohnenlagern bis zu Raffinerien. Oberst des Generalstabsdienstes Dr. Markus Reisner, PhD analysiert, welche Wirkung diese Angriffe tatsächlich entfalten, warum die USA ihre Unterstützung gezielt begrenzen und welche Rolle neue Langstreckenwaffen wie der FP-5 „Flamingo“ oder ERAM spielen.


Was ist das Ziel der ukrainischen Angriffe tief im russischen Hinterland?

Die Ukraine versucht seit Beginn des Krieges mit weitreichenden Waffensystemen, die russischen Streitkräfte tief hinter der Front zu treffen. Auf operativer Ebene sind dies Angriffe auf Gefechtsstände, Logistikknotenpunkte und Truppenbereitstellungen, auf strategischer Ebene hingegen Angriffe auf Produktionsstätten der Rüstungsindustrie sowie auf Erdölförderanlagen. Von diesen Angriffen erwartet sich die Ukraine auf der Zeitachse messbare Ergebnisse. Und wenn man genau hinsieht, sieht man diese auch. So ist in den letzten Monaten die russische Raffinerieproduktion zwischen 13 und 15 % eingebrochen. Nachdem die Priorität bei den Treibstofflieferungen an die Truppe an der Front sowie – zum Zweck der Deviseneinnahme – bei Lieferungen an das verbündete Ausland liegt, kommt es zu Rationierungen für die russische Bevölkerung. Videos von langen Schlangen bei den Tankstellen zeigen dies.

Die Situation ist nicht kritisch, aber das Ergebnis der ukrainischen Angriffe ist nachweislich messbar. Frische Satellitenbilder zeigen zudem die Folgen von zwei Drohnenangriffen auf ein wichtiges Logistikzentrum in Tatarstan. Der Standort, der für den Alabuga-Komplex von zentraler Bedeutung ist, dient zur Lagerung von russischen Geran-2-Drohnen. Mindestens sechs Treffer wurden in einem Lagerhaus registriert. Die Ukraine erhofft sich dadurch ein Nachlassen der russischen Drohnenangriffe.

Warum wollen die USA der Ukraine die Möglichkeiten weitreichender Angriffe einschränken?

Nach langer Diskussion ließ die Biden-Administration im November 2024 nachweislich drei gezielte, präzise Angriffe mit weitreichenden Waffensystemen im Raum Kursk – und somit auf russischem Territorium – zu. Die Russen wiederum setzten im November 2024 erstmals eine russische Mittelstreckenrakete vom Typ „Oreschnik“ ein und führten mehrere hybride Angriffe auf Europa durch. Was folgte, waren Anfang Dezember 2024 Telefonate des amerikanischen mit dem russischen Generalstabschef zum Zwecke der Deeskalation. Einen derartigen Austausch gab es davor zum letzten Mal im Spätsommer 2022, als die Russen überlegten, taktische Atomwaffen einzusetzen. Als Folge des neuerlichen Telefonats im Dezember 2024 wurden die Angriffe auf russischem Territorium wieder ausgesetzt. Dies geschah noch während der Biden-Administration. Das Aussetzen der Angriffe jetzt ausschließlich Trump in die Schuhe zu schieben, ist daher nur ein Teil der Wahrheit. Das Ziel der Biden-Administration war es, es den Ukrainern zu ermöglichen, das im Raum Kursk eroberte Gebiet nachhaltig zu halten, ohne mit Russland eine Eskalation zu provozieren. Das ist bitter, aber Teil einer sorgfältig überlegten US-Strategie.

Führt ein Einsatz weitreichender Waffensysteme automatisch zu einer Eskalation?

Die Ukraine kämpft um das Überleben. Für sie gilt Machiavelli, d. h. „Der Zweck heiligt die Mittel“. Die Ukraine versucht gerade jetzt, unmittelbar vor möglichen Verhandlungsrunden, zu zeigen, dass sie initiativ werden kann. Dazu zählt die offensive Kommunikation hinsichtlich der Verfügbarkeit von neuen ukrainischen Langstreckenmarschflugkörpern vom Typ FP-5 „Flamingo", mit einer Reichweite von bis zu 3.000 km und einer Sprengstoffzuladung von 1.150 kg, oder auch des kürzlich präsentierten Marschflugkörpers „Long Neptune“ mit einer Reichweite von bis zu 1.000 km. Gezeigt wurden Bilder von FP-5-Flugkörpern mit den Seriennummern „479" und „480".

Hinzu kommt die Serienproduktion der FP-1-Angriffsdrohne. Sie soll analog zur russischen Geran-2-Angriffsdrohne in hoher Stückzahl gefertigt werden. Ziel ist es, mit ihrem Einsatz eine Überlastung der russischen Fliegerabwehr zu erzielen, um dem FP-5 „Flamingo" oder dem „Long Neptune“ den Weg zu ihren Zielen zu ebnen. Die Botschaft an Russland im Informationsraum ist eindeutig: „Wir werden in Kürze noch härter und massierter in der Tiefe des russischen Territoriums zuschlagen!“

Wie versuchen die USA zu kontrollieren, dass es nicht zu einer Eskalation kommt?

Sie können eine Kontrolle des Einsatzes nur bei Waffensystemen durchführen, die von den USA geliefert wurden, oder bei jenen europäischen Systemen, welche US-Unterstützung beim Einsatz benötigen. Bei ukrainischen Langstreckenwaffen ist eine direkte Einflussnahme nicht möglich, sondern nur indirekt. Wie man weiß, waren einige ukrainische Offensivhandlungen – wie z. B. der Angriff auf das für die nukleare Abschreckung strategisch wichtige russische Frühwarnradar im Jahr 2024, der ukrainische Vorstoß in Richtung Kursk 2024 oder die Operation „Spiderweb“ 2025 – nicht mit den USA koordiniert oder abgesprochen. Im April 2022 versuchten die USA die Ukraine daran zu hindern den russischen Generalstabschef Gerasimov bei einem Frontbesuch zu töten. Die USA fürchteten eine unkontrollierbare Eskalation. Es gelang ihnen nicht, die Ukrainer griffen an und Gerasimov überlebte nur knapp.

Der kürzliche ukrainische Angriff auf die wichtige Druschba-Erdölpipeline führte sogar zu einem Protest der ungarischen Regierung, was wiederum US-Präsident Trump dazu bewog, sein Missfallen darüber zum Ausdruck zu bringen. Der indirekte Ansatz der USA kann es sein, der Ukraine wichtige Unterstützung zu verwehren – z. B. die Lieferung von Geheimdienstinformationen als Teil der Zielfindung oder eben das Aussetzen von Lieferungen wichtiger Waffensysteme oder Munitionssorten.

Einzelne Waffensysteme sind keine „Gamechanger“, aber warum sind weitreichende Waffen so wichtig?

Derartige Systeme helfen der Ukraine, wichtige Ziele in Russland empfindlich zu treffen. Im vorherrschenden Abnützungskrieg ist die Massenproduktion weitreichender ukrainischer Drohnen und Marschflugkörper ein wichtiges Zeichen. Die Ukraine ist somit in der Lage, der mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen geführten strategischen Luftkriegsführung Russlands etwas quantitativ entgegenzusetzen. Man kämpft auf selber Augenhöhe. Während die FP-1-Angriffsdrohnen der Saturierung der russischen Fliegerabwehr dienen, durchstoßen die FP-5 „Flamingo“ oder „Long Neptune“ den Fliegerabwehrschirm und treffen präzise ihre Ziele. Die Ukraine kann ihre Intensität der Angriffe gegen russische Raffinerien, Erdölförder- und Transportanlagen sowie gegen Logistikknotenpunkte und Gefechtsstände signifikant erhöhen. Das bringt Russland wiederum unter Druck.

US-Präsident Trump hat die Lieferung von Extended-Range-Attack-Munitions (ERAM) in Aussicht gestellt. Was kann dieses Waffensystem leisten?

US-Präsident Trump stellte bereits vor einiger Zeit die Lieferung von über 3.350 Stück ERAM an die Ukraine in Aussicht. Dies sollte im vierten Quartal 2025 erfolgen. Dabei handelt es sich um mit hoher Sorgfalt entwickelte Hochleistungswaffensysteme mit einer im Vergleich zu ATACMS (Army Tactical Missile System) etwas erhöhten Standardreichweite von bis zu 400 km. Der Umstand, dass es sich hier um fertig entwickelte und erprobte Waffensysteme handelt, ist wichtig, denn um tatsächlich erfolgreich zu sein, benötigen moderne Marschflugkörper eine Reihe von Fähigkeiten. Sie müssen verlässlich funktionieren bzw. resistent gegenüber elektronischen Störmaßnahmen sein, über wirksame redundante Navigationssysteme verfügen und benötigen ein leistungsstarkes Triebwerk. Im Fall der ukrainischen FP-5 „Flamingo“ kommt hier z. B. das Jettriebwerk eines L-39-Trainers zum Einsatz. Hinzu kommt der Bedarf an mitgeführten Täuschkörpern gegen anfliegende russische Fliegerabwehrraketen.

Man hört, dass Trump den Einsatz der ERAM auf ukrainisches Territorium beschränken will. Auch die Krim soll nur punktuell und in enger Abstimmung mit den USA angegriffen werden dürfen. Diese Koordinierung bzw. Zielzuweisung erfolgte in der Vergangenheit vor allem über die Security Assistance Group (SAG) Ukraine (bzw. TF EREBUS) in Wiesbaden in Deutschland. Darüber wurde ja groß in der New York Times berichtet. Auch an dem aktuellen Vorgehen ist der Versuch der USA erkennbar, trotz aller Unterstützung eine Eskalation mit Russland zu vermeiden und darauf zu setzen, dass den Russen auf der Zeitachse die Kraft ausgeht. Darum versucht die Ukraine, der gerade die Zeit davonläuft, mit Vehemenz ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

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