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Bundesminister Herbert Scheibner in der Pressestunde des ORF (Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen)

Wien, 16. Jänner 2001  - Am Sonntag, dem 14. Jänner 2001 war Verteidigungsminister Herbert Scheibner Gast in der Pressestunde des ORF.

Nachstehend finden Sie einen Auszug über die wichtigsten in dieser Sendung diskutierten Themen.

Zur Frage einer Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin:

"Im österreichischen Bundesheer gibt es einen Reformstau, der genau bei den Grundsätzen beginnt. Und das ist die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin. Österreich hat es leider versäumt, in den letzten 10 Jahren, eine umfassende sicherheitspolitische Diskussion durchzuführen. Denn eine Armee, Sicherheitspolitik, Landesverteidiung, ist ja nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, die Sicherheit des eigenen Landes und der Bevölkerung bestmöglich zu gewährleisten. (...) Die letzte grundlegende sicherheitspolitische Diskussion in Österreich hat Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre stattgefunden, in der Zeit des Kalten Krieges. Der in Wahrheit noch geltende Landesverteidigungsplan stammt aus dieser Zeit. Es gab dann die Versuche der vorigen Bundesregierung, mit dem sogenannten Optionenbericht dieses Vakuum aufzufüllen. Das ist ja leider gescheitert. Und ich habe gesagt, ich versuche als Verteidigungsminister einen anderen Weg zu gehen, bei dieser Grundsatzdiskussion über Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Daß wir das nicht sofort auf die politische Ebene heben - das ist schon beim Optionenbericht gescheitert - sondern, daß wir einmal eine Expertenkommission einrichten, die völlig unbeeinflußt die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen auflistet, dann der Öffentlichkeit, der Gesellschaft, auch der Politik präsentiert. Dann sollten wir uns darüber einigen, über diese Rahmenbedingungen, die ja objektiv feststehen. Über Bedrohungen kann man nicht ideologisch oder parteipolitisch diskutieren, sondern die stehen fest oder sie stehen nicht fest. Und daß wir dann aus dieser sicherheitspolitischen Lage, Analyse, dann unsere Schlußfolgerungen für die eigene Sicherheitspolitik und für die Landesverteidigung treffen."

Zur Frage einer Bündniszugehörigkeit:

" (...) Man kann das nicht reduzieren auf die Frage: Neutralität versus NATO oder Berufsheer versus Wehrpflicht, sondern es geht um Grundsätze. Wenn man die letzten 10 Jahre betrachtet, dann sieht man, daß glücklicherweise dieses Szenario des großen Krieges, des 3. Weltkrieges zwischen NATO und Warschauer-Pakt, der Vergangenheit angehört. Das war damals der einzig mögliche Konfliktfall, den wir in Europa zu verzeichnen gehabt hätten und auf den wir uns vorbereitet haben. Seit dem Zerfall des Kommunismus ist aber leider kein Zeitalter von Frieden, Freiheit und Sicherheit in Europa angebrochen. (...) Wir müssen heute zur Kenntnis nehmen, daß nationale Konflikte wieder möglich geworden sind., nämlich auch militärische Konflikte, daß wir Stichwort - ehemaliges Jugoslawien - 300.000 Tote in unserer unmittelbaren Umgebung, Mord, Folter, Vertreibung, daß es eine Gefährdung gibt, durch - zum Teil - unkontrollierten Handel, Produktion, möglicherweise auch Verwendung von atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen. (...) All das sind Szenarien, die ein Staat alleine nicht mehr erfüllen kann, nicht mehr bewältigen kann. Hier ist die Staatengemeinschaft gefordert auf derartige Szenarien präventiv - und wenn es notwendig ist - auch reaktiv zu agieren und sich darauf einzustellen. Und das ist auch für Österreich wichtig."

(...) Die Neutralität hat einen wirklich wichtigen Wert für uns gehabt, was unsere Freiheit und Unabhängigkeit anlangt. Sie war die Bedingung der Sowjetunion für den Staatsvertrag. Wir haben sie nicht ganz frei gewählt, aber doch aus eigenen Stücken gewählt. Es war aber klar, daß über all die Zeit wir sicherheitspolitisch uns der westlichen Hemisphäre zugeordnet sehen. Und glücklicherweise mußte die Neutralität ja nie beweisen, ob sie uns wirklich diese Sicherheit geben hätte können, im Ernstfall, die wir uns alle erhofft haben. Die Durchmarschpläne - sage ich einmal - des Warschauer-Paktes, die heute ja bekannt sind, zeigen eher ein Bild, daß man sich nicht darum gekümmert hätte, und daß die Neutralität uns keinen Schutz geben hätte können. Wir haben aber das, was damit verbunden gewesen wäre, und was die Schweiz auch ganz konsequent anlegt, eines versäumt, eine eigenständige, starke Landes-verteidigung aufzubauen und eben die Bedingungen streng auszulegen, die einem dauernd Neutralen gesetzt sind. Ob das jetzt Überflugsgenehmigungen, Durchfuhrgenehmigungen von militärischem Gerät sind, will ich jetzt gar nicht diskutieren. Aber eine Grundvoraussetzung gibt es: Das ist das absolute Verbot, daß ein dauernd Neutraler an einer internationalen Organisation als Mitglied teilnimmt, die kollektive Sicherheitsmaßnahmen vorsieht. Da kann man bei der UNO noch darüber diskutieren. Aber bei der EU ist diese Frage eindeutig. Und letztlich hat man ja sogar - und das war die Regierung Klima - das möchte ich betonen - sozialdemokratisch geführte Regierung Klima - die die Verfassung geändert hat, die Verfassung der Republik Österreich in die Richtung geändert hat, daß Kampfeinsätze zur Friedensdurchsetzung möglich sind. (...) Daß man in Wahrheit schon einen Entscheidungsvorgang festgelegt hat in der Verfassung. (...) Man hat sogar schon hier vorgesehen, was denn passiert, wenn die Europäische Union wirklich zu einer Verteidigungsunion und damit auch zu einem Bündnis wird. Da ist nicht von einer Volksabstimmung die Rede, sondern nur von einem Beschluß des Nationalrates und des Bundesrates. Also in Wahrheit sind wir durch diese Verfassungslage ein bündnisfreies Land und kein dauernd Neutraler mehr, wenn man das offen und ehrlich sagt. Wir sind einen anderen Weg gegangen. Wir haben gesagt: Wir - die neue Bundesregierung - wollen die Ziele der Europäischen Union, des Aufbaus einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion, mitunterstüzen. Erster Schritt jetzt, dieser Aufbau von Krisenreaktionskräften. Aber, und das ist wichtig: Wenn es dazu kommt, daß eine Beistandsgarantie - was unser Ziel wäre - eine Beistandsgarantie in den EU-Vertrag miteinbezogen wird und damit die EU auch zu einem Sicherheits- und Verteidigungsbündnis wird, dann wollen wir die Bevölkerung miteinbezie-hen und eine Volksabstimmung darüber abhalten. (...)

Zur Frage einer NATO-Mitgliedsschaft:

"Also, wenn sie den NATO-Beitritt ansprechen, (...) ist der in dieser Regierungsperiode nicht aktuell. Wir haben die erste Erweiterungsrunde versäumt. Ich habe immer gesagt, daß das ein Fehler gewesen ist. Und ich sage, nicht nur aus sicherheitspolitischen Gründen, sondern auch aus wirtschaftspolitischen und auch außenpolitischen Gründen. Wir sehen, welche Milliardeninvestitionen internationaler Gelder jetzt in die drei neuen Mitgliedsländer gelangen. Infrastrukturausbauten, Bahnlinien, Autobahnen, Hochtechnologiezugang. Das hätte ich ganz gerne in Österreich gehabt, weil damit tausende Arbeitsplätze neugeschaffen worden wären. (...) Auch diese leidige Sanktionendebatte wäre, glaube ich, so nicht führbar gewesen, wenn Österreich in dieses Verteidigungsbündnis miteingegliedert gewesen wäre. (...) Die NATO selbst hat noch nicht definiert, wie und vor allem wann die nächste Erweiterungsrunde stattfinden wird. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird diese Diskussion nicht mehr in dieser Legislaturperiode - also bis 2003 - geführt. (...)"

Zur Frage einer Krisenpräventation:

"Ich glaube, das muß unser aller Ziel sein, daß wir derartige Krisen, wie wir sie im ehemaligen Jugoslawien seit 10 Jahren beobachten müssen, daß so etwas erst nicht entsteht und daß wir von Haus aus, von vorneherein signalisieren - all jenen, die glauben, daß sie in Zukunft noch mit Gewalt politische Ziele durchsetzen können, und ihnen Menschenrechte egal sind, Mord und Folter als politisches Mittel hier recht sein soll - daß man denen signalisiert, daß sie derartige Ziele nicht umsetzten können. Und daß sie mit der klaren Reaktion einer großen Anzahl von demokratischen Staaten zu rechnen haben. (...) Ich glaube, durch die schrecklichen Erfahrungen - letztlich auch im Kosovo - hat es hier einen Umdenkprozeß gegeben. Und dadurch ist es ja auch erst möglich geworden, an diesem Aufbau einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU zu denken. Österreich ist Vollmitglied in der Europäischen Union und da muß uns auch klar sein, daß wir erstmals vollberechtigt - aber auch vollverpflichtet - in einem derartigen System mit dabei sind."

Zur Frage der Finanzierung einer Beteiligung an einer europäischen Truppe:

"(...) Für mich war es klar, daß auch das österreichische Bundesheer - trotz dieser äußerst schwierigen Situation - und wir haben ja nicht nur jetzt eine schwierige Situation, sondern wir haben 40 Sparpakete für das Heer der Vergangenheit jetzt noch zu verkraften, daß wir aber selbstverständlich diesen Nachholbedarf jetzt nicht in der Sanierungszeit des Budgets aufholen werden. Aber so, wie wir uns dazu bekannt haben, diese Vorgabe der EU, dieses Nulldefizits, mitzutragen, ist auch klar, daß die gesamte Bundesregierung dieses Ziel der Teilnahme Österreichs an dieser europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mitträgt. (...)"

Zur Frage der Teilnahme bei Einsätzen einer europäischen Truppe:

"Also zum einen ist klargestellt, daß auch die Teilnahme der Einzelstaaten an derartigen Einsätzen auf freiwilliger Basis funktioniert. Das heißt, die Staaten - auch Österreich - können sich frei entscheiden, ob sie an einer gemeinsamen Mission, so wie das ja auch jetzt der Fall ist, teilnehmen oder nicht. Und selbstverständlich ist der Einsatz österreichischer Soldaten im Ausland ausschließlich auf freiwilliger Basis zu sehen."

Zur Frage der Rekrutierung des Personals für derartige Einsätze:

"Nach der derzeitigen Rechts- und Verfassungslage. Wir müssen nur unsere Strukturen ändern für die Personalrekrutierung. (...) Wir werden hier eine Art vertragliche Bindung, ein sogenanntes Contracting-Verfahren einführen, wo man eine Bereitstellungsprämie bekommt. (...)"

Zur Frage der Wehrpflicht:

"(...) Wichtig ist jetzt einmal die Klarheit der Aufträge für das Bundesheer. Also Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin. (...) Und dann werden wir definieren, mit welchen Gliederungen und mit welchem Wehrsystem können wir diese Aufträge bestmöglich erfüllen. Es ist auch offensichtlich, daß auch die Entwicklung in Richtung einer Professionalisierung der Streitkräfte geht. Modernes Gerät braucht eine lange Ausbildungszeit. Wir sehen, daß viele Einsätze nicht mehr mit Grundwehrdienern zu absolvieren sind. (...) Mein Ziel ist es, das sage ich auch ganz offen, daß die Aufgaben des österreichischen Bundesheeres mit Freiwilligen zu bewältigen sind, denn da ist eine ganz andere Motivation dabei. (...) und die Wehrpflicht ist ja ein starker Eingriff in die Freiheit des einzelnen. Und ich sage ihnen, als Freiheitlicher, ist dieser Eingriff so lange durchzusetzen, so lange er notwendig ist. Derzeit ist er notwendig. Das habe ich auch ganz klar gesagt. Und so lange wir als Bündnisfreier das gesamte Spektrum der militärischen Landesverteidigung (...) abdecken müssen, und damit eine doch sehr große Anzahl auch an Soldaten bereitstellen müssen, ist sie meiner Ansicht auch unverzichtbar. Aber wenn es hier eine Entwicklung gibt, wäre es sinnvoll, über vielleicht eine schrittweise Aussetzung der Wehrpflicht nachzudenken. (...)"

Zur Frage des Budgets:

"Es ist Tatsache, (...) daß Österreich schon in den letzten 40 Jahren viel zu wenig für seine eigene Sicherheit aufgewendet hat und wir das Problem haben, jetzt kurzfristig, auch aufgrund dieser neuen Herausforderungen, einen Nachholbedarf abdecken zu können. Das österreichische Bundesheer hat auch in den letzten 10 Jahren vieles an Zusatzaufgaben übernommen. Zum Teil auch für andere Ressorts, die auch nicht dem Verteidigungsbudget abgegolten worden sind. Stichwort etwa: Der Einsatz an der burgenländischen und niederösterreichischen Grenze oder die vielen Auslandseinsätze. (...) Es geht hier gar nicht um eine riesige Aufrüstung oder Aufstockung des Verteidigungsbudgets, sondern in Wahrheit geht es nur darum, das, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten der Landesverteidigung, der Sicherheit unserer Bevölkerung, vorenthalten worden ist, daß man das zumindest teilweise jetzt bereinigt. Wir sind absolutes Schlußlicht in Europa mit etwa 0,8 % Anteil am Bruttoinlandsprodukt. Vergleichbare andere Staaten sind einiges über 1 %. Das Ziel sollte sein zumindest auf 1 % mittelfristig zu kommen. (...)"

Zur Frage der Anschaffung eines neuen Abfangjägers:

"(...) Es geht jetzt darum, das aktuelle Material hereinzuholen, also welche Modelle kommen überhaupt in Frage für ein Beschaffungsverfahren nach unseren technischen Voraussetzungen.(...) Die Notwendigkeit besteht, denn es ist undenkbar, daß Österreich das einzige Land in wenigen Jahren sein würde, das seine Lufthoheit nicht überwachen kann. Es geht ja hier nicht um irgendwelche militärischen Kampfoperationen, sondern um eine Überwachungsfunktion. Wir hätten dann die Alternative, entweder das selbst zu machen oder andere sehr teuer dafür zu bezahlen, daß sie das für uns übernehmen. Das kann nicht im Sinne Österreichs sein. (...) Und ich glaube, (... )daß allein die Umsatzsteuer, die wir für die Kompensationsgeschäfte zu erwarten haben, den Kaufpreis dieser Flugzeuge abdecken würde und es wäre meiner Ansicht nach nur ein Akt der Vernunft, daß man das hier in aller Konsequenz kostengünstig und mit einem bestmöglichen Vorteil für Österreich so rasch wie möglich umsetzt."

Zur Frage seiner Vermittlungstätigkeit im Nahen Osten im Zusammenhang mit vier israelischen Kriegsgefangenen:

"(...) Es war mir ein Anliegen hier zu helfen. Ich habe mich auch nicht aufgedrängt, sondern wir wurden ersucht. Wir wurden auch darauf hingewiesen, daß Österreich einen guten Namen in dieser Region des Nahen Ostens hat, bei vielen Staaten, in dieser Region. Und daß wir das vielleicht ein bißchen vernachlässigt haben in der Vergangenheit, weil wir uns sehr, vielleicht auch zu sehr auf die Europäische Union konzentriert haben. (...) Das war bis jetzt sehr erfolgreich. Wir haben eine gute Gesprächsbasis aufbauen können zu verschiedenen Gruppierungen, wo man es vielleicht gar nicht annehmen hätte können. Und diese Gesprächsbasis werden wir weiterführen. Ich kann nicht sagen, ob letztlich dann ein positives Ergebnis herauskommen wird, aber allein schon, daß gesprochen wird, ist in einer Region sehr positiv, wo wir leider auch immer wieder die Fernsehbilder zur Kenntnis nehmen müssen, daß die Waffen statt Worte dort zum Zug kommen."

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