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Zeitzeugengespräch über die Entstehung des Bundesheeres an der Landesverteidigungsakademie

Wien, 04. Juli 2003  - Am 1. Juli veranstaltete das Institut für Strategie und Sicherheitspolitik (ISS) der Landesverteidigungsakademie Wien (LVAk) ein Zeitzeugengespräch in der Reihe „Strategie Aktuell“.

Der Titel der Veranstaltung lautete „Beiträge zur Entstehung des Bundesheeres“; die Referate hielten folgende drei Zeitzeugen:

-General i.R. Viktor Fortunat (geb. 1930, zuletzt Chef des Stabes beim Armeekommando und stellvertretender Armeekommandant)

-Korpskommandant i.R. Friedrich Schmied (geb. 1929, zuletzt stellvertretender Korpskommandant I. Korps)

-Oberst i.R. Adolf Allmann (geb. 1933, zuletzt Kommandant 7. Jägerbrigade Mob)

In Anwesenheit des Kommandanten der LVAk, General Raimund Schittenhelm, des Leiters ISS, Hofrat Dr. Rudolf Hecht, sowie über 100 Interessierter wurde die dreistündige Veranstaltung unter der Moderation der beiden LVAk-Historiker Dr. Walter Blasi und Dr. Felix Schneider (beide ISS) zu einer spannenden Reise in die Zeit der „B-Gendarmerie“ und des frühen Bundesheeres.

Der erste thematische Block umfasste die ersten „Gehversuche“ und Planungen zur militärischen Verteidigung Österreichs. Mit Hilfe der Westmächte, vor allem der USA, wurden ab 1951 die ersten Verbände der als „B-Gendarmerie“ bekannten Truppe aufgestellt, die später als Kerntruppe des neu zu gründenden Österreichischen Bundesheeres fungieren sollte. Westlicherseits befürchtete man vor allem ein militärisches „Vakuum“, wenn sich die Besatzungsmächte einmal aus Österreich zurückzögen. Das Beispiel kommunistischer Machtübernahmen in Ostmitteleuropa vor Augen, wollte man zum Zeitpunkt des eigenen militärischen Abzuges – nach Abschluss des Staatsvertrages – die junge Zweite Republik Österreich gegen die Möglichkeit eines kommunistischen „Coups“ gewappnet sehen.

Alle drei Zeitzeugen berichteten ausführlich über die harte Ausbildung der „B-Gendarmerie“ und der ersten Einheiten des Bundesheeres ab 1955. Unterwiesen wurden diese ersten Jahrgänge zu einem Gutteil von gedienten Offizieren aus dem Zweiten Weltkrieg. Den ersten Rekruten wurde ein für heutige Verhältnisse unglaublich scharfer Drill und absolute Disziplin abverlangt. Auch ein absolutes Heiratsverbot war anfangs Bedingung. Dabei war die berufliche Zukunft der noch als „Gendarmen“ verpflichteten ersten Mannschaften vorerst völlig ungewiss. Niemand konnte zum damaligen Zeitpunkt sagen, wann und ob sich ein militärischer Körper jemals in Österreich formieren würde – der vergleichsweise rasche Abschluss der Staatsvertragsverhandlungen 1955 war nicht einmal von politischen Insidern vorausgesehen worden. General Fortunat berichtete im Anschluss über seine Verwendung als Ausbildungsoffizier an der Infanterieunterstützungswaffenschule in Großenzersdorf, wo er zwischen 1958 und 1962 wirkte. 1962 wurde diese Ausbildungsstätte als Jägerschule in Saalfelden neu formiert.

Das noch junge Österreichische Bundesheer erlebte seine Sternstunde bei der Bewältigung der Folgen des von sowjetischen Truppen blutig niedergeschlagenen Ungarn-Aufstands im Herbst 1956. Obwohl, wie alle Zeitzeugen übereinstimmend und sehr eindrucksvoll berichteten, z.T. nur ganz junge Rekruten des ersten Einrückungstermins (15. Oktober, also nur 10 Tage vor Beginn der Krise in Ungarn) zu Verfügung standen - manche dieser Jungmänner hatten bis zum Zeitpunkt ihres Einsatzes noch keinen einzigen scharfen Schuss abgegeben, andere noch nie ein Gewehr in den Händen gehalten - bewährte sich das Heer beim Schutz der Landesgrenzen wie auch bei der Koordinierung der ungarischen Flüchtlingsströme in hervorragender Manier, was auch vom westlichen Ausland gewürdigt wurde.

Der letzte thematische Block dieser Veranstaltung behandelte die Krise in der Tschechoslowakei und den damit verbundenen Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen ab 21. August 1968. Obwohl es einen Plan „Urgestein“ gab, der eigens für den Fall einer Besetzung der Tschechoslowakei ausgearbeitet und einstudiert worden war, kam das Bundesheer 1968 nicht zum Einsatz. Das Bundesheer durfte auf Weisung der Bundesregierung nicht näher als 30 km an die Staatsgrenzen heranrücken. Letztlich ging zwar alles „gut“, doch die Langzeitfolgen durch den Vertrauenseinbruch bei der (grenznahen) Zivilbevölkerung waren für die Moral der Truppe verheerend, wie alle Zeitzeugen unisono unterstrichen. Fehlende Kommunikation zwischen Heer und Regierung, die Angst der politischen Führung, vor allem jedoch mangelnder politischer Wille machte den „Ungarn-Bonus“, den sich das Bundesheer 1956 verdient hatte, schnell zunichte. Das internationale Krisenjahr 1968 wurde so durch politische Inkompetenz und fehlendes Grundverständnis für die Aufrechterhaltung des Wehrgedankens zum (moralischen) Krisenjahr des Österreichischen Bundesheeres.

Zum Abschluss zogen die drei Zeitzeugen ein kurzes Resümee ihrer militärischen Karrieren. Ungeachtet der Anfangsschwierigkeiten und persönlicher und sozialer Unsicherheit, der Höhen aber auch der Tiefen, die man gemeinsam mit den Kameraden durchlebt hatte, kamen die drei Herren übereinstimmend zu dem Schluss: Ich möchte diese Zeit nicht missen!

Bei einem Gläschen Wein im Offizierskasino der LVAk setzte sich die Veranstaltung in Form interessanter Einzelgespräche und Diskussionen fort.

Ein Bericht der Redaktion Landesverteidigungsakademie

2. Zeitzeugen-Panel

2. Zeitzeugen-Panel

Das interessierte Auditorium des Zeitzeugengespräches

Das interessierte Auditorium des Zeitzeugengespräches

Gastgeber des Zeitzeugengespräches

Gastgeber des Zeitzeugengespräches

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